Eine Selbsterfahrung: Als ich damals noch in meinen Kite-Anfängen stand und das erste Mal alleine am Kite-Spot war, hat mir diese Methode sehr geholfen. Ich kam zum Startplatz und alles war überfüllt mit Drachen, Leinen, Kite-Surfern und Schülern – kurzum ein heilloses Durcheinander. Der Wind bügelte mein Gesicht, durchwirbelte meine Haare und sauste als tosende Sirene durch die gespannten Leinen der emporsteigenden Kites. Der Duft von Algen wehte mir in die Nase. All meine Sinne standen auf Alarm – Reizüberflutung! Konzentration und Fokus war ferner liefen. Also habe ich mich erstmal in eine windgeschützte Ecke platziert und die Szenerie beobachtet. Mein Stimmenorchester hat sich auch direkt zu Wort gemeldet. Ich habe jede Stimme zur Anhörung vorgebeten. Eine Stimme sagte: „Wo finde ich bloß einen ruhigen Platz zum Kite-Auslegen, Leinen sortieren, anknüpfen, um final den Drachen in den Zenit zu heben?“ Der Ansatz gefiel mir. Ein strukturiertes, vertrautes Vorgehen, was mich auf das fokussiert, was ich kann. Also habe ich mich mit meiner „Organisationskünstlerin“ verbündet und wir haben einen Plan geschmiedet, wie ich den Kite aufbaue, ins Wasser gehe, mich durch die Massen schlängle und auf dem Weg zum Horizont meine Kunststücke übe. Seitdem habe ich so meine Rituale beim Drachenaufbau: beim Ausrollen des Drachen ausgiebig den Kite-Stoff abtasten, das förmlich eingewebte Salz schnuppern, um Vertrauen zum Kite zu wecken. Beim Auslegen der Leinen das Nylon bewusst durch meine Finger gleiten lassen, um die Gewissheit zu haben, dass die Enden mit den Anfängen zueinander passen. Und in meinen Superheldenanzug aus Neopren springe ich zuallererst, so dass ich mich von Beginn an beschützt fühle und mich sicher durch die Massen schlängle. Meine Organisationkünstlerin begleitet mich heute immer noch. Allerdings ist sie meist stille Beobachterin und schiebt mir gelegentlich Tipps über die Schulter.
Auf der Skala „Selbstgespräch führen“ ist von der Ausprägung Kein Wort verstanden bis hin zu Ich brauch eine Expertenmeinung alles möglich.
Unbewusst führen wir ständig irgendwelche Selbstgespräche – etwa beim Verarbeiten unserer Sinneswahrnehmungen: mit den Augen visualisieren wir unsere Umgebung, die mit Worten und Geräuschen belegt ist. Dadurch werden Gefühle ausgelöst und vermutlich noch von einem Geruch oder Geschmack begleitet. Parallel dazu läuft unser Konditionierungssfilm: Erfahrungen, Erlebnisse, Muster, Glaubenssätze, die uns im Laufe des Lebens prägen, aktivieren ebenso unsere Sinne. Das alles zusammen bestimmt unsere Gedankenwelt und bildet eine vielseitige und endlose Gesprächsbasis.
Ein Selbstgespräch ist demnach eine Möglichkeit mit sich selbst in Verbindung zu gehen. Abhängig vom Inhalt kann das Gespräch eine positive oder negative Richtung einnehmen: ein negatives Gespräch kann dich blockieren und handlungsunfähig machen, ein positives Gespräch kann dich konstruktiv weiterbringen.
Das Schöne ist, du selbst entscheidest die Richtung – abhängig von deinem Ziel.
WAS WIRD DURCH EIN SELBSTGESPRÄCH MÖGLICH?
Selbstgespräche können dich von einem aktuellen Zustand in einen Wunschzustand bringen. Das bedeutet, sie können:
  • beruhigen
  • aktivieren
  • Vertrauen wecken
  • Sicherheit geben
  • unterhalten
  • fokussieren
  • motivieren
  • stabilisieren
  • begeistern
  • Freude verbreiten
  • strukturieren
  • stärken
  • ermutigen
Du kannst diese Liste unendlich fortführen. Oftmals ist es eine Auswirkungskette, zb brauchst du die Beruhigung, um dich zu strukturieren damit du aktiv und motiviert durchstarten kannst. Und am Ende dieses Wegs ist dein Ziel, was du dir für den Tag/ den Moment/ die Situation vorgenommen hast.
IN WELCHEN SITUATIONEN KÖNNEN SELBSTGESPRÄCHE SINNVOLL SEIN?
Je nach aktuellem Zustand können Selbstgespräche förderlich sein, um dich zu beruhigen, zu fokussieren und zu stabilisieren.
Dein eigentlicher Leistungsabruf ist blockiert. Du brauchst den zündenden Anschubser, um mit Ruhe und Fokus dein Selbstvertrauen zurückzugewinnen.
Du bist in einem inneren Konflikt, wünschst dir sehnlichst einen Gesprächspartner und niemand ist parat? Dann erwecke deinen inneren “Mut” und berate dich mit ihm.
Kurzum: in Situationen, wo du Redebedarf hast und gleichzeitig niemand Vertrauliches für ein Gespräch greifbar ist, außer du selbst.
Eine erste kleine Übung: Begebe dich gedanklich in deine gegenwärtige Situation und schau mal, welcher Wunschzustand dich wozu befähigt.
Selbstgespräche bergen so viel Potenzial, setze sie bewusst und klug ein.
WIE KANNST DU DABEI VORGEHEN?
Wenn du diese förderliche Methode anwenden möchtest, solltest du folgende Schritte beachten:
  • Weck den Experten in dir: sobald du in einer Situation bist, aktiviere deine Sinne und nimm bewusst dein inneres Stimmenorchester wahr: wer sagt was und entscheide, welche Stimme dich deinem aktuellen Ziel näher bringt.
  • Gib dieser Stimme einen Namen und mach sie zu deinem Gesprächspartner – zusammen seid ihr weniger allein.
  • Tüftelt gemeinsam einen Plan aus, um durch die Situation zu kommen und euer Ziel zu erreichen.
Manchmal kann es auch hilfreich sein, mit mehreren Experten – einem Team – ins Gespräch zu gehen. Obacht hierbei: viele Köche verderben den Brei!
Von Zeit zu Zeit merkst du, dass sich – abhängig von der Situation – ähnliche Stimmen zu Wort melden. Sie werden verlässliche und vertraute Gesprächspartner und dein Vorgehen wird Routine.